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Gute Kaiser - böse Kaiser oder Luxuspalast gegen Einkaufszentrum


Gute Kaiser - böse Kaiser oder Luxuspalast gegen Einkaufszentrum


Diktatoren, Tyrannen und Gewaltherrscher aller Art bauen sich Luxuspaläste, gute Herrscher tun etwas für das Volk, bauen etwas zum Nutzen der Allgemeinheit. Schulen, Spitäler, Sportstätten oder Einkaufszentren. Tyrannen saugen das Volk aus und bauen auf Kosten des Volkes. Die Bevölkerung wird arbeitsmäßig ausgebeutet, die Kassen geleert. Gute Herrscher investieren klug in öffentliche Bautätigkeit, schaffen Arbeitsplätze, kurbeln die Wirtschaft an. Zwei Seiten einer Medaille – und alles Mögliche dazwischen.


Was wäre die Welt ohne den Petersdom, dessen absurder Neubau ob seiner enormen Kosten, die durch Ablasshandel eingetrieben wurden, die westliche Christenheit spaltete? Was wäre die Welt ohne Versailles, diesen größenwahnsinnigen Traum eines absoluten Herrschers, den sämtliche Fürsten Europas nachzuahmen versuchten? Prinz Eugen von Savoyen, Österreichs großer Türkensieger, war von der Bauwut erfasst und investierte sein in den Türkenkriegen erworbenes Vermögen in seine Prunkbauten, sein Winterpalais und Schloss Belvedere in Wien, seine Marchfeldschlösser in Schlosshof und Niederweiden und einiges mehr – und gab vielen Menschen der Umgebung und seinen Veteranen damit Arbeit und Auskommen.


Bauen im antiken Rom

Doch gehen wir weiter zurück in die Vergangenheit, in die größte Stadt der antiken Welt, nach Rom. Die Stadt wuchs mit dem Imperium und zwar nicht planmäßig wie viele römische Gründungen späterer Zeit, sondern eher recht wild. Prunkbauten neben insulae, den oft einsturzgefährdeten Wohnsilos der Antike. Alles durcheinander – und das in einem Land, in dem die Sommer brütend heiß sein konnten, und mit Häusern, in denen offenes Feuer zum Leuchten, Kochen und Heizen verwendet wurde. Klar, dass da Brandkatastrophen nicht ausbleiben konnten.

 

Der Brand Roms und seine Folgen

Die größte davon, der berühmte Brand Roms im Juni des Jahres 64 nach Christus, legte große Teile der Stadt in Schutt und Asche. Doch jedes Übel hat auch sein Gutes. Der Brand gab Kaiser Nero (54-68 n.Chr.) die Möglichkeit in großem Stil neu zu bauen. Neben vernünftigen gesetzlichen Vorschriften für den Wiederaufbau der Stadt (eigene Feuermauern der Gebäude, Porticus/Säulengänge im Erdgeschoß zur Straße hin u.a.) begann der Kaiser, für sich eine riesige Palastanlage zu errichten, die sogenannte Domus Aurea, das Goldene Haus, ein Projekt, das ein riesiges Areal umfasste und Unsummen verschlang.


Nachfolgeprojekte

Nero nahm sich 68 n. Chr. das Leben und sein größenwahnsinniges Projekt wurde von seinen Nachfolgern umgewidmet.

Die Flavier bauten auf einem Teil der Anlage das Colosseum, ein riesiges Amphitheater, das wohl bis heute eines der berühmtesten Wahrzeichen Roms ist. Für wen? Das Volk. Der Bau wurde unter Vespasian (69- 79 nach Chr.) begonnen, sein Sohn Titus eröffnete die Anlage mit 100 Tagen Spielen im Jahr 80 n. Chr. Den heute üblichen Namen hat diese ursprünglich als Amphitheatrum Flavium bezeichnete Anlage von einer Kolossalstatue Neros, die sich davor befand.

Titus ließ übrigens gleich auch Thermen in der Nähe errichten.

 

Trajans Bautätigkeit

Ein weiterer Teil der Domus Aurea wurde unter Trajan nach einem Brand im Jahr 104 n. Chr.zugeschüttet und für eine Thermenanlage genützt. Wem kam diese zugute? Ebenfalls dem Volk. Trajan, der optimus princeps, der beste Kaiser, wie er offiziell vom Senat genannt wurde, tätigte übrigens noch weitere große Investitionen in der Nähe: er ließ ein Forum mit einer riesigen Basilika und zwei Bibliotheken anlegen und daneben noch das größte Einkaufszentrum der Antike, den Trajansmarkt. Für wen? Ebenfalls für das Volk, Die nach ihm benannte Säule ragt übrigens so weit auf, wie der Hügel abgetragen wurde, und zeigt, woher das Geld kam.


Geld stinkt nicht

Denn während Nero die Kassen plünderte und seinem Nachfolger Vespasian einen praktisch bankrotten Staat hinterließ, wirtschaftete dieser so gut, dass er sich bald ein Großprojekt wie das Colosseum leisten konnte. Sein Einfallsreichtum bezüglich der Beschaffung von Geldquellen ist sprichwörtlich geworden. Als er nämlich Steuern auf die öffentlichen Klos erhob (der Urin wurde für die Färbereien und Walkereien gebraucht) und sein Sohn Titus ihn darauf pikiert ansprach, soll er ihm das Geld vor die Nase gehalten und gemeint haben: ‚Non olet‘ – ‚Es stinkt nicht‘.


Nicht nur gloria

Das Geld für Trajans Bauvorhaben kam von woanders: aus dem heutigen Rumänien, damals Dakien, das der Kaiser – selbst sein bester Feldherr – erobert hatte. Dieser Feldzug ist auf dem bandförmigen Relief der Trajanssäule dargestellt. Die dakischen Goldminen lieferten die geeignete Finanzierung für Trajans Großprojekte in Rom. Sie decken antike wie moderne Argumente ab

  • befriedigten die immer von den Römern angestrebte gloria, die durch die Eroberung der Gebiete erlangt wurde
  • brachten eine gewaltige Finanzspritze,
  • die die Wirtschaft ankurbelte
  • und die für Projekte im Sinne des Gemeinwohls verwendet wurden.

Es ist kein prächtiger Palast unter Trajans Namen bekannt, aber die fünfschiffige Basilica Ulpia des Trajansforums, die vermutlich für Agenden des Justiz- und Schulwesens verwendet wurde, jeweils eine lateinische und eine griechische Bibliothek und sechs Stockwerke Marktanlage, teilweise als echte Ladenstraßen, teilweise überdachte Zeilen von Geschäften. Mit ein wenig Phantasie kann man sich die jeweiligen Läden leicht mit restaurierter Innenausstattung als Teile einer modernen Shopping Mall wie der Ringstraßengalerie vorstellen.

Der Architekt

Wir wissen sogar, wer für dieses architektonische Großprojekt verantwortlich war: Apollodorus von Damaskus, Trajans Haus- und Hofarchitekt, der ihn auch auf den Dakerfeldzügen begleitet hatte und die Brücke über die Donau, die auf der Trajanssäule dargestellt ist, baute.

Ich lernte den Trajansmarkt schon bei meinem ersten Rombesuch 1973 kennen und lieben. Er ist definitiv einer meiner Lieblingsorte in Rom, der mir persönlich wesentlich besser gefällt als das Colosseum. Shopping macht happy und ist doch besser als der im Colosseum betriebene Blutsport.


Endlich!

Jahrzehntelang wünschte ich mir, die Domus Aurea besuchen zu können, doch die war immer zu, manchmal kurzzeitig unterbrochen von Nachrichten, man könne sie jetzt besuchen. Doch da war ich nicht in Rom. Durch einen glücklichen Zufall gelang es uns, meiner Tochter Agnes und mir, 2016 einen Platz bei einer der wenigen Führungen am Wochenende zu ergattern. Und es hat sich ausgezahlt: sehr imposant, diese riesigen Gewölbe mit ihren Fresken und der achteckige Kuppelsaal.

In der Renaissance entdeckten die Römer die Reste, die wir besichtigten. Die berühmte Laokoonstatue wurde dort 1507 gefunden und Künstler wie Michelangelo und Raphael ließen sich von dem, was sie dort sahen, inspirieren.

Bei unserer Führung erfuhren wir auch, warum es so schwierig ist, die Domus Aurea zu besuchen: Dadurch, dass Trajan die Anlage zuschütten ließ und darüber baute und durch den darüber liegenden Park mit seinen riesigen alten Bäumen gestalten sich die Grabungen schwierig und kostspielig. Führungen können nur am Wochenende stattfinden, weil während der Woche gearbeitet wird.


Guter Kaiser – böser Kaiser?

Nero der Alleinunterhalter

Nero verfiel der damnatio memoriae (Verfluchung und demonstrativen Tilgung des Andenkens), auch indem sein Lieblingsprojekt, die Domus Aurea umfunktioniert, zugeschüttet und überbaut wurde. In der senatorischen Geschichtsschreibung kommt er schlecht weg, beim Volk hingegen war er beliebt, weil er ja für genügend Unterhaltung sorgte. Heute ist er definitiv der bekannteste der drei erwähnten Kaiser. Skandal verkauft sich eben gut, auch wenn Nero möglicherweise nicht den Brand selbst legte hat oder legen ließ. In einer Stadt wie Rom gab es in einem heißen Sommer genug Möglichkeiten, wie ein Feuer entstehen und sich bei ungünstigen Witterungsbedingungen ausbreiten konnte.


Vespasian der Sparmeister

Vespasian kennt man als den Sparmeister, der die Klos besteuern ließ. Man amüsiert sich darüber und denkt möglicherweise nicht daran, dass dieser kluge Mann einen Staat aus dem Bankrott holte und dann sehr wohl schaffte, ein gigantisches öffentliches Bauprojekt auf die Beine zu stellen.

 

Und Trajan?

Die Geschichtsbücher erwähnen ihn meist nur mit einem Satz: unter seiner Regierung hatte das Römische Reich die größte Ausdehnung. Der Senat gab ihm den Titel optimus princeps- der beste Herrscher. Er war einfach zu gut, um wahr zu sein. Keiner, von dem man G’schichterln erzählen kann, aber einer, der auch modernen Kriterien standhält neben der großen gloria, die er durch seine Eroberung Dakiens erwarb.



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