Die Weihnachtsgeschichte 1. Teil

Die Weihnachtsgeschichte - The Real Thing

1. Teil Woher wir sie kennen


Es gibt eine vermutlich jährlich wachsende Unzahl von Weihnachtsgeschichten, von Tannenbäumen, Hirten, Ochsen und Eselchen, die irgendwie dem Jesuskind begegnen, von einem vierten König und – leider in immer größer werdender Zahl – Geschichten, die mit der eigentlichen Weihnachtsgeschichte gar nichts mehr zu tun haben, Filme, vor allem amerikanische, in denen Jesus völlig ausgeblendet ist. Christmas without Christ.



Ich habe in den letzten Jahren immer wieder bemerkt, dass unter all diesem verkitschten und konsumorientierten Wust, der aus dem ‚Fest der Liebe‘ – darauf können sich die meisten Leute irgendwie einigen – geworden ist, der tatsächliche Kern der Sache völlig verschwunden ist. Das betrifft nicht nur Leute aus anderen Religionen, sondern auch viele Menschen, die keine christliche Sozialisierung (mehr) erfahren haben, weil sie ohne Bekenntnis sind. Darum möchte ich hier die ‚eigentliche Weihnachtsgeschichte‘ darstellen und ein bisschen kommentieren, denn ein Text, der ca 2000 Jahre alt ist, hat halt so seine Tücken. Und da Latein hier auch das Thema ist, habe ich sie auch auf Latein hier hereingenommen.


Woher kommt die Geschichte also?

Christliche sozialisierte Menschen werden vermutlich gleich sagen: das steht in der Bibel. Richtig, genauer gesagt, im Neuen Testament, in dem Teil, in dem es um Jesus geht, der also für die Christen besonders wichtig ist. Dort steht die Geschichte gleich zweimal, nämlich im Lukas- und im Matthäusevangelium.

 

Was ist ein Evangelium?

Christen werden vermutlich auf die Frage, was denn ein Evangelium sei, sagen: das ist die Geschichte von Jesus. Und es gibt vier davon: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Ja, die Evangelien handeln von Jesus, sind aber keine Biographien, sondern berichten das, was den frühen Christen als Botschaft Jesu besonders wichtig war. Es fehlen daher recht viele Angaben, die wir sonst in einer Biographie erwarten.

 

Was heißt eigentlich Evangelium?

Evangelium ist ein griechisches Wort und bedeutet übersetzt ‚gute (oder frohe) Botschaft‘ (von eu – gut und aggelion: Botschaft; der angelos/Engel ist eigentlich der Bote zwischen Gott und den Menschen). Ursprünglich war so ein euangelion etwas eher Banales: eine Nachricht z.B. über einen Sieg oder – in römischer Zeit - aus dem Kaiserhaus (die mussten wohl gut sein), z. B. über einen Steuererlass – oder die Geburt eines Kindes, eines kaiserlichen Prinzen. Da kommen wir der Sache schon näher. Immerhin geht es bei Weihnachten auch um die Geburt eines Kindes, doch wie so oft machen auch hier die Christen aus einer normal wirkenden Sache etwas anderes, Außergewöhnliches.

 

Der christliche Gebrauch des Wortes

Der erste, der Evangelium für die Botschaft Jesu verwendete, war Paulus, dessen Briefe auch die ältesten Schriften des Christentums sind. In seinen Briefen kommt das Wort ‚evangelium‘ mehrfach vor. Wenn wir heute eine dieser Stellen bei der Lesung hören, verbinden wir automatisch unseren heutigen Begriff damit – aha, Matthäus, Markus, Lukas oder Johannes. Doch das kann Paulus nicht gemeint haben, denn seine Briefe entstanden deutlich vor diesen Schriften. Für ihn war es, so scheint mir, diese ‚frohe Botschaft‘, die Wirken, Tod und vor allem Auferstehung Jesu bedeutete‚ ob absichtlich als einzig wahre frohe Botschaft im Kontrast gegen das gedacht, was von der Obrigkeit, also vom Kaiserhaus kam, sei dahingestellt. Doch Kontrastprogramm ist die Grundansage vieler (früh)christlicher Dinge.

 

'Evangelium‘ musste also erst durch sie zu dem werden, was wir darunter verstehen: zu einem der vier anerkannten – ‚kanonischen‘ – Berichte über das Leben und vor allem das Wirken und die Botschaft dieses Jesus von Nazareth.

 

Natürlich weisen die Evangelien Elemente einer Biographie auf, doch nur insofern, als diese wichtige Aspekte der Botschaft transportieren. Rein ‚Privates‘, z.B. ob Jesus bei Josef als Zimmermann gearbeitet hat oder ob er verheiratet war, fehlen aus diesem Grund völlig – und haben immer wieder Anlass zu ‚Ergänzungen‘ und Spekulationen gegeben. Im Markus- und Johannesevangelium fehlen die Geburt, Kindheit und Jugend Jesu völlig. Er tritt dort erst als etwa Dreißigjähriger mit seiner öffentlichen Tätigkeit auf.

 

Wer hat also die Evangelien geschrieben und wann sind sie entstanden?

Wir als Menschen des 21. Jahrhunderts sind umgeben von Schriftlichem und können uns ein Leben ohne Lesen und Schreiben nicht vorstellen. Das war aber zur Zeit Jesu keineswegs so. Viele Menschen konnten nicht lesen und schreiben und Bücher waren aufgrund der Tatsache, dass sie mit der Hand geschrieben werden mussten und Beschreibmaterial teuer war, teuer und rar.

Als allmählich die Menschen, die Jesus und die Apostel persönlich gekannt hatten, also die Zeitzeugen, weniger wurden, wurde es notwendig die erfahrene Botschaft aufzuzeichnen. Das geschah zwischen 70 und 100 nach Christus. Das älteste der kanonischen, also offiziell anerkannten Evangelien ist das Markusevangelium, das jüngste das Johannesevangelium. Während Matthäus, Markus und Lukas einiges gemeinsam haben, weicht das Johannesevangelium deutlich davon ab. Man spricht also bei den ersten dreien von den synoptischen (zusammenschauenden) Evangelien.

 

Was die Verfasser anbelangt, so heißt es jeweils Evangelium nach …/ lat. secundum …/griech. kata, das heißt nicht, dass die Namen der tatsächlichen Autoren folgen, sondern dass man sich auf die Autorität der Genannten beruft.

 

Warum gibt es vier Evangelien?

Jeder Text hat nicht nur einen oder mehrere Verfasser – im Falle der Evangelien ist nicht ganz klar, wie es von der mündlichen Tradition zur Verschriftlichung kommt, es ist ziemlich unrealistisch, sich die Herrn Evangelisten am Schreibtisch sitzend und ihr jeweiliges Evangelium schreibend vorzustellen –, er hat auch eine primäre Zielgruppe, die, wie bei allen antiken Texten, nicht wir sind.

Im Falle der Evangelien sind es verschiedene Zielgruppen. Dadurch dass die Apostel beschlossen, die Botschaft Jesu allen, auch Nichtjuden zugänglich zu machen, ergaben sich im Wesentlichen zwei Zielgruppen: Judenchristen, also Menschen, die dem Judentum und seinen Schriften und Gesetzen verhaftet waren, und Heidenchristen, also Menschen, die nicht zur jüdischen Gemeinschaft gehörten und daher weder mit dem Alten Testament noch mit dem jüdischen Gesetz vertraut waren. Während erstere Gruppe Beweise dafür brauchte, dass Jesus der erwartete Messias war, und diese in den Prophezeiungen des Alten Testaments suchte, waren derartige Hinweise für die neu Hinzugekommenen aus der griechisch-römischen Welt nicht so relevant. Sie suchten eher Verbindungen zur Philosophie ihrer Zeit.

 

Unter diesem Aspekt wurden die Evangelien für verschiedene Zielgruppen verfasst, im Falle der Weihnachtsgeschichte einmal eher für Judenchristen, einmal eher für Heidenchristen. Das Lukasevangelium spricht letztere Gruppe an, das Matthäusevangelium erstere.

 


Who is who unter der Evangelisten?

In dieser karolongischen Buchmalerei sind die vier Evangelisten dargestellt, wie es sie wahrscheinlich nie gegeben hat: brav an ihren Schreibpulten, die Evangelien verfassend. Neben ihnen befinden sich die jeweiligen Symbole, nach denen man sie zuordnen kann (hier in verkehrtem Uhrzeigersinn):

 

- Matthäus mit dem Menschen

- Markus mit dem Löwen

- Lukas mit dem Stier     und

- Johannes mit dem Adler


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